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Kommunalunternehmen Energiewerk Landkreis Aschaffenburg

Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung vom 19. Oktober der Gründung eines gemeinsamen Kommunalunternehmens mit dem Arbeitstitel „Energiewerk Landkreis Aschaffenburg“ zugestimmt. Worum geht es dabei?
Die Energiewende in Deutschland ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Im Bereich der öffentlichen Verwaltung kommt den Kommunen zur Umsetzung der Energiewende auf regionaler und lokaler Ebene eine Schlüsselrolle zu. Sie sollen die Vorgaben der Bundesregierung und der Staatsregierung konkret umsetzen und den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben. Insbesondere in Bayern hat das Thema in den letzten Monaten deutlich an Fahrt aufgenommen.
Durch das „Wind-an-Land-Gesetz“ müssen die Planungsverbände bis Ende 2032 1,8 Prozent der Landesfläche für Windenergie ausweisen. Wenn diese Flächen einmal an Potentialflächen ausgewiesen sind, kann ein Projektentwickler bzw. Unternehmen dort Windkraftanlagen bauen. Damit die Gemeinden diese Entwicklung nicht nur als Zaungäste verfolgen, wurde die Entwicklung eines Energiewerkes angestoßen. Die Festsetzungen, wo die Potentialflächen liegen werden, sind jedoch völlig unabhängig davon.
Landkreisvertreter und Bürgermeistern haben mit Unterstützung der Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) ein konkretes Konzept und Vertragswerk für die Umsetzung eines gemeinsamen Energiewerks von Gemeinden und Städten und dem Landkreis Aschaffenburg ausgearbeitet, mit dem vor Ort PV- und Windprojekte entwickelt und umgesetzt werden sollen.

Was ist die Zielsetzung dabei?

  • Schaffung einer gesellschaftsrechtlichen Struktur zur Entwicklung und Umsetzung von Erneuerbare Energie Projekte
  • Möglichst großer Einfluss / Entscheidungskompetenz der Kommunen im Landkreis Aschaffenburg
  • Beteiligung mehrerer Kommunen und Bürgerbeteiligung
  • Bestmögliche Absicherung finanzieller und rechtlicher Risiken (z. B. Vergaberecht)
  • Reduzierung der Risiken aus gescheiterten Projektentwicklungen
  • Wertschöpfung soll in der Region bleiben: Wirtschaftliche Teilhabe der Kommunen und Bürger an der (energiewirtschaftlichen) regionalen Wertschöpfung
  • Akzeptanzsteigerung durch Einbindung von Bürgern und regionalen strategischen Partnern
  • Grüner und langfristig günstigerer Strom als Standortfaktor für Industrie und Gewerbe
  • Planerischer Steuerung von Erneuerbare Energien Anlagen durch die Kommunen
  • Kommunen als Schnittstelle zwischen Staat, Bürgern und Wirtschaft
  • Schaffung dezentraler Versorgungsstrukturen
  • Sicherstellung einer verbraucherfreundlichen und bezahlbaren Energieversorgung als Bestandteil der Daseinsvorsorge

Grundkonzept Energiewerk
Bevor eine PV- oder Windkraftanlage errichtet werden kann, müssen zunächst die Grundlagen für die Errichtung geschaffen werden („Projektentwicklung“). Beim Aufbau eines gemeinsamen Energiewerks schließen sich hierzu die beteiligten Gemeinden und der Landkreis zu einer gemeinsamen Gesellschaft zusammen. Nach der Entwicklung des Projekts erfolgt die Errichtung der Anlagen in Projektgesellschaften. Durch die gemeinsame Entwicklung und Umsetzung erneuerbarer Energien Projekte im Landkreis können finanzielle und organisatorische Synergien geschaffen werden. Die Wertschöpfung bleibt bei den Gebietskörperschaften, wodurch auch die Akzeptanz vor Ort erhöht wird.
Zudem sollen Bürger über Bürgerenergiegenossenschaften sowie (kommunale) Energieversorger an den Projekten beteiligt werden. Die Gemeinden können ihre Pläne und Konzepte untereinander und mit den Netzbetreibern abstimmen und es werden langfristig für die Kommunen, ihre Bürger und die Unternehmen vor Ort erneuerbare Energiequellen gesichert. In einem Energiewerk können zukünftig außerdem weitere Tätigkeiten gebündelt werden.

Rechtsform und Beteiligung
Das Energiewerk im Landkreis Aschaffenburg wird in der öffentlich-rechtlichen Rechtsform eines gemeinsamen Kommunalunternehmens gegründet. Das gemeinsame Kommunalunternehmen als besondere Form der Anstalt des öffentlichen Rechts bietet sich hierzu an, da eine private Beteiligung ausgeschlossen ist, die Gesellschaft immer 100% kommunal bleibt und ferner – wenn zukünftig gewünscht – hoheitliche Aufgaben auf das Kommunalunternehmen übertragen werden können. Durch einen starken Vorstand sowie die Vertretung der Kommunen im Verwaltungsrat ist das gemeinsame Kommunalunternehmen flexibel genug, Projekte effizient voranzubringen. Gleichzeitig bleibt der kommunale Einfluss gewahrt.
Der Landkreis beteiligt sich finanziell zu einem Anteil von 50%, die Kommunen sind zu gleichen Teilen in Höhe der verbleibenden 50% beteiligt.

Die späteren Projektgesellschaften werden üblicherweise in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG gegründet werden. An diesen Gesellschaften können sich Dritte, auch Bürger über Bürgerenergiegenossenschaften unproblematisch beteiligen, die Finanzierung der Projekte unterstützen und natürlich auch an dem Gewinn teilhaben.

Geschäftsmodell
Ziel des Energiewerks („gemeinsamen Kommunalunternehmen“) ist es zunächst, Projekte im Landkreis selbst zu entwickeln und an der Wertschöpfung der Projektentwicklung alle teilnehmenden Kommunen zu beteiligen. Danach werden die Projekte an Projektgesellschaften verkauft. Am Gewinn sind alle Kommunen und der Landkreis („Träger“) beteiligt. In den Anfangsjahren wird das gemeinsame Kommunalunternehmen die Gewinne nutzen, um sich selbst und weitere Projekte zu finanzieren. So soll sich die Gesellschaft möglichst schnell ohne Anschubfinanzierung der Träger finanzieren und ihrem Zweck wirksam nachkommen können.
Das gemeinsame Kommunalunternehmen soll außerdem die Geschäftsführung der Projektgesellschaften übernehmen und dafür ein Entgelt von den Projektgesellschaften erhalten. Ziel ist es außerdem, die laufenden Projekte zu koordinieren und mit dem gemeinsamen Kommunalunternehmen eine Plattform zu schaffen, mit der langfristig weitere Geschäftsbereiche erschlossen werden können.

Projektgesellschaften
An der Errichtung und am Betrieb der Anlagen (also an den Projektgesellschaften) werden sich nicht immer alle teilnehmenden Kommunen beteiligen wollen bzw. können, da hier die
größeren Investitionen gemacht werden.

So sind z.B. für eine 6 Megawatt PV-Anlage (ca. 6 Hektar) grob 4 Millionen Euro an Investitionen nötig, von denen 20% als Eigenkapital aufgebracht werden muss. Bei einer oder mehreren Windkraftanlage(n) oder größeren PV-Anlagen sind die Investitionen deutlich höher.

Daher werden sich an Errichtung und Betrieb der Anlagen nur die Kommunen beteiligen, die Willens und in der Lage dazu sind. Um diese individuelle Entscheidung der einzelnen Kommunen gesellschaftsrechtlich und wirtschaftlich darstellen zu können, gibt es zwei Modelle.
Das Standardmodell ist die mittelbare Beteiligung.
Das gemeinsame Kommunalunternehmen gründet eine Projektgesellschaft, verkauft das Projekt an diese Projektgesellschaft und behält aber die Mehrheit der Anteile an der Projektgesellschaft. Trotzdem werden nicht alle Kommunen mitfinanzieren, sondern im gemeinsamen Kommunalunternehmen werden buchhalterisch Sparten gebildet, sodass nur einzelne Träger die Projektgesellschaft finanzieren und später Gewinne aus dem Stromverkauf erhalten. Damit nur die Träger, die das Projekt finanzieren auch über das Projekt entscheiden, wird für jede gegründete Projektgesellschaft im gemeinsamen Kommunalunternehmen ein Projektausschuss gegründet. Die beteiligten Kommunen treffen daher die Entscheidungen im Rahmen des gemeinsamen Kommunalunternehmens. Die Verwaltung der Beteiligungen findet im gemeinsamen Kommunalunternehmen statt.

Organe des Unternehmens
Die Vertretung des gemeinsamen Kommunalunternehmens nach außen sowie die Geschäftsführung erfolgt durch den Vorstand. Der Vorstand soll langfristig aus zwei Personen bestehen, von denen eine Person ggf. in Teilzeit aus der Verwaltung kommt.
Neben dem Vorstand existiert das Organ des Verwaltungsrates. Der Verwaltungsrat bestellt und überwacht den Vorstand und entscheidet über wichtige Maßnahmen des gemeinsamen Kommunalunternehmens Aschaffenburg. Die teilnehmenden Kommunen sowie der Landkreis werden im Verwaltungsrat repräsentiert. Jede Kommune hat eine Stimme, der Landkreis hat, trotz höherer finanzieller Beteiligung, 9 Stimmen. Die Mitglieder des Verwaltungsrates unterliegen den Weisungen des jeweiligen Gemeinderates bzw. des Kreistages.
Werden Projektgesellschaften gegründet, so wird im Regelfall der mittelbaren Beteiligung für Entscheidungen über die jeweiligen Projektgesellschaften innerhalb des gemeinsamen Kommunalunternehmens ein Projektausschuss als fakultatives Organ gegründet, welcher aus Vertretern der Träger besetzt werden, die sich an der jeweiligen Projektgesellschaft finanziell beteiligen. Der Projektausschuss entscheidet unter anderem über dieStimmabgaben in der Gesellschafterversammlung der Projektgesellschaft.

Finanzierung
Zur Finanzierung der Mitarbeiter, der Räumlichkeiten und insbesondere der Kosten der Projektentwicklung und externer Dienstleister wird grob mit 600.000 € im Jahr gerechnet, bis die Gesellschaft die ersten Projekte verkauft. Die Finanzierung der geschätzten 600.000 € erfolgt im ersten Jahr durch Einzahlung in das Stammkapital (200.000 €) und Einzahlungen in die Kapitalrücklage oder Gesellschafterdarlehen. Nach Verkauf der ersten Projekte soll die Gesellschaft sich langfristig selbst finanzieren und Gewinne aus der Projektentwicklung an die Kommunen ausschütten. Nach einer konservativen Schätzung ist die Gesellschaft in den ersten fünf Jahren auf die Finanzierung durch die Träger angewiesen. Daher ist im Vertragswerk auch vorgesehen, dass in den ersten fünf Jahren keine Gewinne ausgeschüttet und Gesellschafterdarlehen nicht zurückgezahlt werden.
Bei Teilnahme des Landkreises, der 50% der Finanzierung übernimmt, und 32 Kommunen, liegt der jährliche Anteil für jede Kommune an der Finanzierung bei voraussichtlich 9.375 € im Jahr. Wenn sich nur z. B. 20 Kommunen beteiligen, ist die Finanzierung mit bis zu 20.000 € im Jahr gedeckt und eine Spannbreite vorhanden, um die Finanzierung der Gesellschaft sicherzustellen.
Die Entscheidung über Finanzierung der individuellen Beteiligung an den Projekten erfolgt nach Abschluss der Projektentwicklung. Über die entsprechenden Investitionen wird von den beteiligten Kommunen (Gemeinderat) gesondert entschieden.

Die Energieerzeugung mit erneuerbaren Energien wird im Landkreis Aschaffenburg und sehr wahrscheinlich auch in unserem Gemeindegebiet stattfinden, entweder mit uns oder ohne uns (Fremdinvestitionen). Durch das Energiewerk können wir als Gemeinde und Bürger daran teilhaben. Das heißt wir haben dadurch eine Möglichkeit, die Entwicklung mit zu steuern, uns an den Gewinnen zu beteiligen (über Gewinnausschüttungen und die Gewerbesteuer) und von günstigem Strom zu profitieren.
Das Energiewerk ist deshalb insgesamt ein großer Gewinn für unsere Region und die Bürger unserer Gemeinde.

Ihr Jochen Drechsler
Bürgermeister