Spessartgemeinde Heigenbrücken und Jakobsthal
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Heigenbrücken ...neu entdecken
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Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
seit paar Tagen verbreiten sich Mutmaßungen, dass in Heigenbrücken eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge im Landgasthof Hochspessart entstehen wird. Ich möchte hier Klarheit schaffen über den Hintergrund und den aktuellen Stand. Gleich vorweg: Es werden im Sommer dort keine 80 Flüchtlinge untergebracht.
Zunächst ein paar Hintergrundinformationen
Nachdem die Flüchtlingszahlen in Deutschland seit dem Hoch von 2016 jährlich gefallen waren, sind sie 2021 und 2022 wieder stark angestiegen. Besonders zum Ende des letzten Jahres kam es zu einer deutlichen Zunahme von Asylerstanträgen.
Nach welchem Prinzip werden die Flüchtlinge auf die Bundesländer aufgeteilt?
Die Aufteilung auf die Bundesländer erfolgt gemäß dem „Königsteiner Schlüssel“. Dieser richtet sich nach Steuereinnahmen (2/3 Anteil bei der Bewertung) und der Bevölkerungszahl (1/3 Anteil bei der Bewertung). Die Quote wird jährlich neu ermittelt. Bayern ist somit mit 15,3 % auf Platz 2.
Nach welchem Prinzip werden die Flüchtlinge innerhalb Bayerns aufgeteilt?
Die Aufteilung innerhalb Bayerns erfolgt gemäß § 7 Asyldurchführungsverordnung – DVAsyl nach festgesetzten Quoten, für die der jeweilige Regierungsbezirk verantwortlich ist. Unterfranken werden dabei circa 10 % der Flüchtlinge zugewiesen.
Unterbringung
Asylbewerber werden grundsätzlich erst in staatlichen Einrichtungen untergebracht. Dafür stehen seitens des Staates sogenannte ANKER-Einrichtungen (ANKER steht für Ankunft, Entscheidung und Rückführung) als Erstunterbringung bzw. sogenannte Gemeinschaftsunterkünfte für die Anschlussunterbringung zur Verfügung. In Unterfranken ist das die ANKER-Einrichtung in Geldersheim/Niederwerrn.
Nach der Erstanhörung werden Asylbewerber in sogenannte Gemeinschaftsunterkünfte der Regierungen oder in dezentrale Unterkünfte der Landkreise und kreisfreien Städte zugewiesen.
Die Regierungsaufnahmestelle der Regierung von Unterfranken verteilt die Unterfranken zugewiesenen Asylbewerber auf die in den Landkreisen und kreisfreien Städten bestehenden staatlichen Gemeinschaftsunterkünfte. Die Regierung von Unterfranken errichtet und betreibt diese Unterkünfte.
Soweit eine Unterbringung mangels vorhandener Unterbringungsplätze in den genannten staatlichen Unterkünften nicht möglich ist, erfolgt die Unterbringung durch die Landratsämter als Staatsbehörden und die kreisfreien Gemeinden im übertragenen Wirkungskreis (dezentrale Unterbringung).
Zum Jahreswechsel 2022/23 waren in der ANKER-Einrichtung Unterfranken 1.419 Personen untergebracht. Der Belegungsstand der Ankereinrichtung Unterfranken betrug zur Monatsmitte am Montag, 16.01.2023, genau 1.714 Personen. Die Belegungsquote übersteigt damit aktuell den Bereich der Vollauslastung von 1.500 Personen bzw. einer regelmäßig belegbaren Bettenkapazität von 1.200 Personen. Es herrscht also ein hoher „Unterbringungsdruck“ in Unterfranken, insbesondere auch im Landkreis Aschaffenburg.
Die ANKER-Einrichtung Unterfranken ist bezüglich der Aufnahmen von Asylbewerbern für folgende Herkunftsländer zuständig: Algerien, Armenien, Elfenbeinküste und Somalia. Daneben wurden aufgrund des bundesweit hohen Zugangs auch Asylbewerber aus Afghanistan und Syrien aufgenommen.
Suche nach neuen Gemeinschaftsunterkünften
Da die Flüchtlingszahlen aktuell wieder gestiegen sind und die ANKER-Einrichtung die Belastungsgrenze überschritten hat, ist die Regierung intensiv auf der Suche nach weiteren Gemeinschaftsunterkünften, um die ANKER-Einrichtung zu entlasten. Es wird deshalb im gesamten Regierungsbezirk, also auch im gesamten Landkreis nach Unterkünften gesucht und diese auf Tauglichkeit geprüft.
Wir haben vor ein paar Tagen erfahren, dass die Regierung mit der Familie Samer in fortgeschrittenen Verhandlungen steht, den Landgasthof Hochspessart als Gemeinschaftsunterkunft zu betreiben. Die Vertragsverhandlungen laufen ausschließlich zwischen dem Eigentümer und der Regierung. Die Gemeinde wird lediglich informiert.
Die Regierung möchte das komplette Hotel anmieten und direkt als Flüchtlingsunterkunft betreiben. Im Landgasthof müssen dafür noch einige (bauliche) Auflagen erfüllt werden. Außerdem werden drei Gemeinschaftsküchen eingerichtet, in denen sich die Bewohner dann selbst versorgen. Die Zimmer werden als Zweibettzimmer ausgelegt, die jeweils über eine eigene Toilette verfügen. Damit wird im Vergleich zu vielen anderen Unterkünften eine relativ hohe Privatsphäre ermöglicht, was eine wichtige Grundlage für ein gutes Zusammenleben bildet.
Wenn die Auflagen und Umbauten erfolgt sind, könnte der Landgasthof schätzungsweise frühestens ab Mai als Gemeinschaftsunterkunft genutzt werden. Eher wahrscheinlich sind Juni oder Juli als Startzeitpunkt.
Die Unterkunft sollte ursprünglich (s. u.) auf eine Maximalbelegung von 80 Personen ausgelegt werden. Da die Verteilung über das ANKER-Zentrum erfolgt, richtet sich die Zuweisung der Flüchtlinge nach der Belegung in Geldersheim. Aktuell würde der Großteil der Personen, die in Heigenbrücken untergebracht würden, aus Afghanistan und Syrien kommen. Das Alter liegt zwischen 18 und 88 Jahren. Aktuell gibt es jedoch einen Schwerpunkt bei jungen erwachsenen Männern.
Die Verwaltung der Unterkunft würde über eine Verwaltungskraft der Regierung erfolgen. Deutschkurse bzw. Erst-Orientierungskurse könnten in den vorhandenen Seminarräumen abgehalten werden. Der Caritasverband Aschaffenburg soll die Gemeinschaftsunterkunft bei der Flüchtlings- und Integrationsberatung mitbetreuen.
Für unsere kleine Spessartgemeinde wäre die Gesamtzahl der Flüchtlinge bezogen auf die Einwohnerzahl mit der neuen Unterkunft dann relativ hoch. Wir alle fragen uns, ob das gut gehen kann. Es gibt große Verunsicherung und zahlreiche Bedenken.
Deshalb habe ich ein Treffen, mit den Fraktionssprechern, den Regierungsvertretern und mir organisiert, um Informationen einzufordern und unsere Bedenken vorzubringen. Uns wurde erklärt, dass die Situation vor Ort genau geprüft werde, dass es aber auch zur Zeit kaum Ausweichmöglichkeiten gebe. Aus der Vergangenheit habe man bei dem Umgang mit Flüchtlingen dazugelernt. Uns wurde eine gute Betreuung der Flüchtlinge vor Ort und schnelle Reaktionszeiten bei Schwierigkeiten zugesichert. Das werden wir auch einfordern. Wir wiesen außerdem deutlich darauf hin, dass es für ein gutes Miteinander mehr als eine reibungslose Verwaltung bedürfe. Auch hier wurde uns zugesichert, dass diese Bedenken an die höheren Verwaltungsebenen weitergegeben und berücksichtigt würden.
Später sind (falls es zum finalen Vertragsabschluss kommt) eine Info-Veranstaltung und ein Erfahrungsaustausch mit anderen Kommunen und Personen aus der Integrationshilfe geplant, damit wir für alle Seiten eine bestmögliche Integration ermöglichen können.
Es kann nicht sein, dass die kleinen Gemeinden im Spessart die Hauptlast für die Unterbringung der Flüchtlinge tragen müssen.
Deshalb haben wir uns fraktionsübergreifend abgestimmt, dass wir uns an die Regierung, den Landrat und andere Verwaltungsstellen wenden, um die Situation für Heigenbrücken zu verbessern, mit folgendem Ergebnis:
Unser Landrat Alexander Legler hat die Flüchtlingsverteilung im Landkreis im Blick und kennt die Situation vor Ort. Er habe sich mit dem Regierungspräsidenten darauf geeinigt, dass bei der Verteilung der Flüchtlinge die Gemeindegröße bzw. der Flüchtlingsanteil pro Einwohner im Blick behalten und berücksichtigt werden solle. Die Regierung solle sich bei der Zuteilung von Flüchtlingen immer zuerst auch an das Landratsamt wenden.
Gegebenenfalls werde das Landratsamt dann reagieren und die Geflüchteten anders verteilen. Dafür sei geplant im Landkreis Flüchtlingscontainer und eine eigene Flüchtlingsunterkunft (Halle) zu errichten. Das bedeutet, dass in dem Landgasthof maximal 20 Personen untergebracht werden, weil in Heigenbrücken bereits ein hohe Anzahl an Flüchtlingen wohnt. Das wurde mir so zugesichert.
Bei all den Herausforderungen, die die Flüchtlinge mit sich bringen, sollten wir eines allerdings nicht vergessen: Es sind Menschen – Menschen, die verfolgt werden und aus Not geflüchtet sind. Wir sollten diesen Menschen, die bei uns Hilfe suchen, einen Vertrauensvorschuss geben. Integration und ein gutes Miteinander können nur gelingen, wenn wir offen aufeinander zugehen und uns gegenseitig mit Respekt und Achtung begegnen.
Ihr Jochen Drechsler
Bürgermeister