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Aktuelles aus dem Rathaus 15.02.2023

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

nachdem bekannt wurde, dass im Landgasthof Hochspessart demnächst eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge entstehen soll, gab es große Verunsicherung und zahlreiche Bedenken. Viele fragen sich, ob das gut gehen kann.
Außerdem gibt es einigen Unmut, weil wir in Heigenbrücken bereits einen viel höheren Flüchtlingsanteil haben als die meisten Gemeinden im Landkreis Aschaffenburg.

Wir nehmen den Unmut und die Ängste ernst!
Deshalb habe ich bereits mehrere Telefonate mit unserem Landrat Dr. Legler geführt und letzten Freitag auch mit dem Regierungspräsidenten von der Regierung von Unterfranken Herrn Dr. Ehmann gesprochen. Ihm ist natürlich bewusst, dass manche Gemeinden mehr Flüchtlinge aufnehmen als andere. Das liege aber daran, wie viele freie Wohnungen oder leerstehende Pensionen oder Hotels im jeweiligen Ort überhaupt verfügbar seien. Es mache finanziell keinen Sinn in einem Ort eine neue Unterkunft zu bauen, wenn in einem anderen Ort leerstehende Gebäude angeboten würden. Im Landkreis sei man jedoch bestrebt, die geflüchteten Menschen gleichmäßiger auf alle Gemeinden zu verteilen.
Außerdem sollen in der Gemeinschaftsunterkunft in Heigenbrücken vorerst nur kleine Gruppen von Asylbewerbern untergebracht werden. Bei der weiterhin hohen Anzahl neu ankommender geflüchteter Menschen könne allerdings mittelfristig nicht ausgeschlossen werden, dass im Landgasthof 60-80 Personen einquartiert werden müssen.

Als ich die möglichen Schwierigkeiten bei der Integration und durch den „Kulturschock“ ansprach, stieß ich auf offene Ohren. Wir waren uns einig, wie wichtig eine intensive Begleitung und Unterstützung durch Sozialpädagogen, Deutsch- und Kulturkurse und „Integrationshelfer“ ist. Herr Ehmann sicherte zu, das weiterzugeben und sich dafür einzusetzen.

Im Gemeinderat haben wir uns gemeinsam entschieden, einen Brief an den Regierungspräsidenten und den Landrat zu schreiben, in dem wir die Errichtung der Gemeinschaftsunterkunft in Heigenbrücken ablehnen und zu größerer Unterstützung bei der Integration von Flüchtlingen auffordern. Den Brief habe ich am Montag mit den gesammelten Unterschriften gegen die Unterkunft verschickt. Er ist außerdem im Anschluss abgedruckt.

Erfolgreiche Integration
Es leben aktuell viele Flüchtlinge in Heigenbrücken und es werden, so wie es aussieht, weitere hinzukommen. Die Menschen, die bei uns Asyl und Schutz suchen, sind aus ihrer Heimat geflohen, weil sie dort verfolgt wurden oder lebensbedrohlichen Bedingungen (Kriege, Notlagen, Rassismus usw.) ausgesetzt sind. Für sie ist es sicher nicht einfach sich sofort in der neuen Umgebung und Kultur zurecht zu finden. Da ist unser aller Hilfe, Verständnis und Einfühlungsvermögen gefragt.
Gerade die letzten Jahre haben gezeigt, dass Integration bei uns im Großen und Ganzen gut funktioniert. Es gibt zahlreiche Beispiele für Flüchtlinge, die sich in Vereinen engagieren oder in Handwerksbetrieben oder auch im Bauhof erfolgreich sind.

Deshalb vertraue ich auf unser gutes Miteinander und unseren Gemeinschaftssinn in Heigenbrücken. Ich bin mir sicher, dass wir alle uns bemühen, diesen Menschen in Not vorurteilsfrei und voller Mitgefühl zu begegnen und ihnen so gut wie möglich helfen werden, in unserer Gesellschaft anzukommen.

Ihr Jochen Drechsler
Bürgermeister

 

Brief an Regierungspräsidenten bezüglich der Gemeinschaftsunterkunft

Sehr geehrter Herr Dr. Ehmann,
sehr geehrter Herr Dr. Legler,

die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland und in Unterfranken sind zuletzt wieder stark gestiegen. Sie suchen Schutz, weil sie in ihrer Heimat verfolgt wurden oder anderen lebensbedrohlichen Bedingungen (Kriege, Notlagen, Rassismus usw.) ausgesetzt sind.

Wir haben in Heigenbrücken schon immer viele Geflüchtete aufgenommen. Seit 2016 lebten oft mehr als 100 Flüchtlinge in unserem Ortsteil Heigenbrücken mit aktuell 2165 Einwohnern. Mit sehr viel Engagement haben sich von Anfang an einige ehrenamtliche Helfer für diese Personen eingesetzt, sie im Alltag und bei Behördengängen unterstützt.

Als letztes Jahr viele Ukrainer nach Deutschland flohen, war die Bereitschaft zu helfen groß. Innerhalb von vier Monaten haben die Bürgerinnen und Bürger über 100 Personen dezentral in Wohnungen, Ferienwohnungen usw. aufgenommen. Auch für die Verwaltung im Rathaus war und ist es eine große Belastung, die über längere Zeit eine volle Arbeitskraft gebunden hatte.
Sowohl der Kindergarten als auch die Schule haben sich sehr engagiert, um die Flüchtlingskinder trotz der anfänglichen Sprachbarriere so gut wie möglich aufzunehmen.
Mittlerweile sind allerdings in beiden Einrichtungen keine freien Plätze mehr verfügbar.

Mit einem ehrenamtlichen Helferkreis konnte die Verwaltung etwas entlastet und das Ankommen für die Geflüchteten etwas erleichtert werden. Aktuell bieten wir weiterhin einmal die Woche eine Flüchtlingssprechstunde an, die wichtig, nötig und gut besucht ist.

Das zeigt zum einen, dass die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung groß ist, aber es zeigt zum anderen auch, dass unsere (personellen) Kapazitäten erschöpft sind.

Bei 2452 Einwohnern (Stand 1. 9. 2023) haben wir mit circa 130-150 Asylsuchenden, anerkannten Asylbewerben, Ukrainern und weiteren Flüchtlingen einen Personenanteil von 5,3% bis 6,1% an der Gesamteinwohnerzahl, was deutlich über dem Durchschnitt für Unterfranken liegt. Demgegenüber gibt es andere Gemeinden in unserem Landkreis, die kaum Flüchtlinge aufgenommen haben oder in einem viel geringeren Prozentsatz.
Mit den ursprünglich angedachten bis zu 80 Bewohnern der geplanten Gemeinschaftsunterkunft würde der Anteil dieser hilfsbedürftigen Menschen auf knapp 10% steigen. Damit wären wir sicherlich einer der „Spitzenreiter“ im Landkreis, wenn wir das nicht jetzt schon sind.

Es ist uns natürlich auch klar, dass Unterbringungsmöglichkeiten nicht in gleicher Weise in allen Landkreisgemeinden verfügbar sind und es auch unwirtschaftlich ist, an einer Stelle eine neue Unterkunft zu errichten, wenn woanders Platz vorhanden wäre.
Die Aufnahme von Flüchtlingen ist eine wichtige und notwendige Aufgabe.

Aber trotzdem kann es nicht sein, dass einzelne Gemeinden einen übermäßig großen Anteil an dieser Aufgabe übernehmen müssen.
Andere Gemeinden müssen stärker in die Pflicht genommen werden, Unterbringungsmöglichkeiten bereit zu stellen oder zu schaffen. Sie dürfen sich nicht so leicht aus der Verantwortung stehlen. Es lassen sich sicherlich vor Ort Möglichkeiten realisieren, wenn die Bereitschaft da ist.

Auch wenn die geplante Unterkunft möglichst nur mit kleinen Gruppen bis 20 Personen belegt würde, würde das nichts an den damit verbundenen Herausforderungen ändern.
Deshalb lehnen wir diese geplante Gemeinschaftsunterkunft in Heigenbrücken ab und fordern Sie auf, aktiv nach anderen Unterbringungsmöglichkeiten zu suchen und andere Gemeinden, die sich bisher wenig beteiligt haben, zur Aufnahme von Flüchtlingen aufzufordern.

Eine erfolgreiche Integration der Flüchtlinge ist mitentscheidend für ein reibungsloses Miteinander in einer Dorfgemeinschaft. Unsere Fähigkeit, das zu leisten, ist mit den vorhandenen ehrenamtlichen und gemeindlichen Kapazitäten jedoch begrenzt und sollte nicht überstrapaziert werden! Weder unsere Schule noch der Kindergarten könnten im Moment weitere Kinder aufnehmen.
Außerdem funktioniert Integration einfach besser je dezentraler die Menschen untergebracht werden und in kleineren Gruppen auf die Kommunen verteilt werden.

Viele Schwierigkeiten lassen sich im Vorfeld vermeiden.
Einige Flüchtlinge sind traumatisiert und benötigen dahingehend Hilfe und Beratung. Dafür muss Fachpersonal regelmäßig vor Ort sein.

Integration heißt auch Beteiligung an der Dorfgemeinschaft.
Das ist aber nur möglich, wenn Kommunikation möglich ist. Außerdem muss ein Grundverständnis für unseren Alltag und unsere Kultur da sein. Deshalb sind Deutschund Integrationskurse von Anfang an so entscheidend.

Wenn man mit dem Hintergrund der Flucht sich fernab der Heimat in einem fremden Land mit einer anderen Sprache, Kultur und den neuen Umständen auseinandersetzen muss, führt das unweigerlich auch mal zu Schwierigkeiten. Deshalb ist eine Begleitung vor Ort, die sich nicht nur für die Verwaltung zuständig fühlt, sondern die sich unter anderem um Beschäftigungen, Kontakt zu Vereinen und Gleichgesinnten, Teilhabe am Dorfleben usw. kümmert. Das könnten Sozialpädagogen oder andere Integrationshelfer sein. Auch für die Verwaltung in den Kommunen und die ehrenamtlichen Helfer wäre eine Integrationsberatung sehr sinnvoll!

In der Bevölkerung gibt es Bedenken, Unsicherheiten und Ängste. Die mitgeschickte Unterschriftenliste untermauert diese Sorgen. Bitte nehmen Sie diese Sorgen Ernst!

Wir werden uns weiterhin für die Flüchtlinge bei uns im Ort einsetzen, die bei uns Schutz gesucht haben. Dazu ist auch die Bereitschaft bei vielen Ehrenamtlichen noch da. Aber unsere Kapazitäten sind begrenzt.

Helfen Sie uns bei dieser Aufgabe!
Und überdenken Sie die Einrichtung der geplanten Gemeinschaftsunterkunft im Landgasthof Hochspessart!

Mit freundlichen Grüßen,
Jochen Drechsler und der Gemeinderat.